Seán McGinley, Speyer/ München
Der Speyerer Judoka Michel Adam beendet seine Leistungssportkarriere. Für den 26-Jährigen, der 2018 und 2021 Deutscher Meister war, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, mit einem neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Am Ende war es das Verletzungspech, das eine große Rolle gespielt hat – damit hatte Adam während seiner Karriere immer wieder zu kämpfen.
„Das Verletzungspech hat mich schon immer verfolgt – ich hatte vier große Verletzungen, und nach der letzten habe ich gesagt: Wenn mir sowas nochmal passiert, dann ist es vorbei. Und nun ist es soweit: Ich habe mich wieder verletzt, und angesichts dieser Verletzung sind die Olympischen Spiele 2024 nicht mehr realistisch erreichbar. Das und meine aktuelle berufliche Situationen machen dies zu einem guten Zeitpunkt, die harte Entscheidung zu treffen, andere Wege einzuschlagen und nicht mehr in der Nationalmannschaft zu sein. Aber es ist schön, eine solche Entscheidung selbstbestimmt treffen zu können, wenn es für einen selbst der richtige Moment ist, anstatt darauf zu warten dass jemand anderes sagt: ‚Du bist raus, weil du nicht mehr gut genug bist‘“, so Michel Adam.
Das macht es leichter, zufrieden und glücklich auf die letzten Jahre zurückzublicken, nicht nur wegen der sportlichen Erfolge: „Meine Judo-Leistungssportzeit war eine sehr schöne und erfüllende Zeit, in der ich viel gelernt haben. Ich habe viele Freunde kennengelernt, viele Erfahrungen gesammelt und mich weiterentwickelt. Durch die ganzen Förderungen war es mir möglich, mich ganz auf den Sport zu konzentrieren – das ist ein großes Privileg, das nur wenigen zuteil wird.“ Zu den schönsten Erinnerungen, die Michel Adam aus seiner aktiven Zeit mitnimmt, gehören der dritte Platz bei der U21-Europameisterschaft und sein erster Deutscher Meistertitel 2018 – „Weil das Erfolge waren, die ich zu dem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten habe“, so Adam. Auch der Aufstieg in die 1. Bundesliga mit dem JSV, zusammen mit vielen anderen jungen Kämpfern, die er aus der Trainingsgruppe in Speyer kennt, war ein solches Highlight. In diesem Jahr gab es mit der Teilnahme an der Universiade in China ein weiteres großartiges Erlebnis, das er zu den schönsten seiner Karriere zählt.
Adam befindet sich in den letzten Zügen seines Medizinstudiums in München und wird jetzt sein praktisches Jahr beginnen. Das hatte er bislang aufgeschoben, weil sie die Schichten von acht Stunden oder mehr am Tag nicht vereinbar sind mit dem Trainingspensum eines Leistungssportlers. Der Alltag von Michel Adam wird ab sofort also ganz anders aussehen bis jetzt – was durchaus seinen Reiz hat, wenn nicht mehr jeder Tag und jede Woche durchgetaktet und auf Training und Wettkampf ausgerichtet ist. „Ich freue mich, mehr Zeit zu haben für alles andere, was die Welt zu bieten hat. Ich habe schon angefangen, mich in einer studentischen Initiative zu engagieren und bei der Bahnhofsmission auszuhelfen und bin gespannt und neugierig auf viele neue Erfahrungen“, erzählt der 26-Jährige.
Trotzdem wird es niemanden wundern, dass Adam nicht alle Verbindungen zum Judosport auf einmal kappen wird. „Wenn ich ins Training gehe, merke ich immer noch, wie sehr ich diesen Sport liebe. Ich habe den Trainer-B-Schein gemacht und könnte mir vorstellen, mich beim JSV oder in den Verbänden zu engagieren.“ Und außerdem haben die JSV-Fans ihn wohl noch nicht zum letzten Mal in Aktion gesehen: „Die nächste Bundesligasaison möchte ich auf jeden Fall noch kämpfen“, kündigt Michel Adam an.